Lässt sich die Schwerkraft besiegen? Der bekannte Jongleur und Artist Andreas Wessels gab im Stuttgarter Renitenztheater mit seiner „Beat the Gravity“-Show die Antwort.

Andreas Wessels gastiert rund um den Globus und wurde unter anderem bei namhaften Festivals in China, Japan und Frankreich ausgezeichnet. Der „Spiegel“ zählte ihn schon 1996 zu den besten seiner Zunft. „Andreas Wessels is brilliant“, lobte ihn die New York Times. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Broadway-Show „Vivace – vom Leichtsinn der Schwerkraft“.

Nun also in Stuttgart, wo er bis zum Frühjahr als einer der Hauptakteure im „Palazzo by Harald Wohlfahrt“ wirkte. Als Artist und Moderator in Personalunion bezieht Wessels immer wieder die Zuschauer mit ein und sorgt mit seiner trockenen Art für Stimmung. „Ich fand das gut“, lobt er sich nach einem geglückten Kabinettstückchen selbst oder wendet sich verschmitzt ans Publikum: „Wenn das klappt, wissen Sie, was Sie zu tun haben.“ Es geht um eine seiner besten Nummern: Während er sechs fußballgroße Bälle in der Luft hält, springt er über ein Seil und scheint die Schwerkraft für kurze Zeit aufzuheben.

Natürlich schafft er es – und die Zuschauer wissen ihn zu würdigen. Seit seinem 15. Lebensjahr widmet sich Wessels der Jonglage. „Mit Engelsgeduld und der Tendenz zum Wahnsinn“, sagt der gebürtige Berliner. Zuvor strebte der Varieté-Künstler eine Karriere als Fußballer an und schaffte es bis in die Verbandsliga. Dort wurden ihm seine spielerischen Grenzen aufgezeigt. Doch er blieb dem Ballspiel treu, nur ohne Gegner und leidige Vorgaben.

Längst umfasst sein Programm viel mehr als „nur“ die Artistik mit Bällen oder brennenden Fackeln. Eine Zigarette etwa zündet der 44-Jährige an, indem er ein brennendes Streichholz hinter seinem Rücken in die Höhe wirft, um es mit dem Mund aufzufangen – wo er den Glimmstängel ohne Zuhilfenahme der Hände anzündet. Beim Mixen eines Whisky Sour wiederum legt er einen Löffel auf den Fuß und katapultiert ihn in das auf dem Kopf ruhende Glas.

Sein Partner Aron Eloy begleitet die Performance mit Gitarre und Klavier und glänzt mit seiner wandlungsfähigen Stimme: mal laut, mal lyrisch, mal romantisch verklärt. Zudem gibt er den kongenialen Herausforderer im Tischtennis. Inszeniert wie ein Boxkampf und angefeuert vom Publikum liefert er sich mit Wessels ein Duell der ungewöhnlichen Art: Der spielt und fängt die Bälle mit dem Mund – teils aus dem Handstand, durch die Beine oder auf der Platte sitzend. Selbst eine Zeitlupe – Eloy hält den Ball mit einem Föhn in der Luft, während sich die Beiden träge bewegen und langgezogene Laute von sich geben – ahmt das Duo nach.

„Es ist bei allen schwierigen Tricks so, dass man natürlich mental stabil sein muss, aber ein extra Training mache ich dafür nicht“, bekennt Wessels, „aber über die Jahre, habe ich schon so meine kleinen Tricks, wie ich locker bleiben kann.“

280 Auftritte hat er im letzten Jahr absolviert. “‘Beat the Gravity’ ist ein Neuanfang – Ziel ist es, damit wieder zu touren“, sagt der Ballmagier. In diesem Jahr spielt er das Programm noch in Goslar und München, danach ist er wieder Teil der Palazzo-Show, dieses Mal in Nürnberg. Im Frühling will er die Show weiter spielen, die Planungen laufen bereits.

Sein Auftritt in Stuttgart umfasst auch das Ballett der Ölfässer. Vor zwölf Jahren reiste Wessels eigens nach Kuba, um einen jungen Mann aufzuspüren, der leere Ölfässer zum Tanzen brachte. Mehrere Jahre hat er diese schweißtreibende Nummer trainiert, die Aron Eloy mit einem Song von Marilyn Manson auf dem Flügel begleitet. Fünf Ölfässer drehen sich gleichzeitig auf der kleinen Bühne des Renitenztheaters – am Herunterfallen gehindert von der Zentrifugalkraft – entgegen der Schwerkraft.

Fotos: Christian Euler, Andreas Wessels Entertainment