Fünfzehn Jahre nach seinem ersten Essayband “U & I – Wie groß sind die Gedanken?” wendet sich Nicholson Baker in So geht’s ein weiteres Mal speziellen Aspekten der Welterklärung zu. 34 Perlen der Essayistik – Aufsätze, die Baker in den letzten 15 Jahren für The New Yorker und andere renommierte Zeitschriften schrieb. Ob es um die Kunst des Drachensteigenlassens, die Faszination brutaler Computerspiele oder venezianische Gondeln geht: Bakers unbändige Neugier richtet sich auf kleine und kleinste Dinge. Es sind Essays vom Feinsten! Mit seiner gewohnt faszinierenden Beobachtungsgabe zaubert er Unerwartetes aus dem Gewöhnlichen. Die Jury des internationalen Hermann-Hesse-Preises in Calw bezeichnete Nicholson Baker anlässlich der Preisverleihung im Frühjahr 2014 vollkommen zurecht als “großen Beschreibungs- und Benennungskünstler der US-Gegenwartsliteratur.” Baker sei wie sein Vorläufer Hermann Hesse furchtlos und mit großem moralischen Ernst in Grenzbereiche von Geschichte und Politik, Psychologie und Pornographie vorgedrungen. Ebenfalls ausgezeichnet wurde sein Übersetzer Eike Schönfeld, der Bakers Werk “im Deutschen buchstäblich wiederauferstehen lässt.”

Leben – Lesen – Bibliotheken und Zeitungen – Technik – Krieg, heißen die Kapitel. Darin geht es um private Themen (etwa wie Baker seine spätere Frau im Studentenwohnheim kennenlernte), Technik (worin u.a. der Charme von Wikipedia liegt und weshalb Steve Jobs zu Recht als Ikone verehrt wird) und Politik (warum es richtig ist, in einer an kriegerische Gewalt gewöhnten Welt Pazifist zu sein).

220px-Nicholson_Baker_-_headshotEs sind unscheinbaren Dinge des Alltags, die Baker hochpräzise seziert und auf seine unnachahmliche Weise präsentiert. So sinniert er etwa über seine Liebe zum Telefon: “Ich mochte die körperliche Empfindung des Wählens und wie mein Finger in seinem Ziffernloch (erst war es aus schwarzem Metall, dann aus bequemeren, durchsichtigen Plastik) den Bogen eines perfekten Kreises entlanggeführt wurde, als wäre er ein Stift in einem Spirographen. Manchmal ließ ich ihn schnell zurückfahren und spürte dabei, wie sich das Mittelrad leicht dagegenstemmte.

Mit Ohrstöpseln schreiben, überschreibt der 1957 in Rochester, New York, geborene Baker seinen kürzesten Essay:

“Vor ein paar Jahren kaufte ich mir bei earplugstore.com eine Industrie-Spenderbox mit 200 Paar Mack’s Ohrstöpseln. Meistens kaufe ich sie aber im Drugstore. Seit kurzem bietet Mack’s sie in Orange an, was weniger eklig ist als weiß. Ich kann überall sitzen, an jedem lauten Ort, und arbeiten. Alles geht sieben Meter weiter weg, als es tatsächlich entfernt ist. Jene tschilpende, bellende, klingelnde Kassenlade, die die Welt darstellt, ist außer Reichweite und daher kostbarer.
Man braucht eine gute Abdichtung. Löst man den Daumen von einem hineingestopften Stöpsel, stößt das Trommelfell einen winzigen, stummen Schmerzensschrei aus, wie ein Wort auf Arabisch. Dann weiß man, dass man eine gute Abdichtung hat.”