Seine önologische Unschuld verliert Jürgen von der Mark auf eine ganz besondere Weise. Er ist 14, als er seinem Vater eine Flasche Wein gemopst: einen 1973er Oppenheimer Morio-Muskat Kabinett. Er weiss zwar nicht, was Kabinett bedeutet, doch „da war sofort mehr da als nur Alkohol, von da an war ich von Wein fasziniert und habe mich immer tiefer in die Materie eingearbeitet“, erinnert sich der heute 44 Jahre alte Winzer aus dem badischen Bad Bellingen – und bleibt im Bild: „Es folgten einige wilde Jahre mit vielen One-Night-Stands, kurzen Affären und auch einigen längeren Beziehungen mit unterschiedlichen Weinen.“

Jürgen+Dackel5Er absolviert eine Winzerlehre, wird Weinbauingenieur in Geisenheim und besteht 1996 in der Guildhall von Westminster die äußerst anspruchsvolle Abschlussprüfung zum Master of Wine. Von der Mark avanciert damit zum ersten Deutschen, der diesen Titel trägt. Nach sechs Jahren als Flying Winemaker für einen britischen Weinimporteur in Südafrika und zwei Jahren als Berater bewirtschaftet er seit 2003 sein auf Pinot Noir spezialisiertes Boutique-Weingut.

Dort betreibt er die Abkehr von einer vorgegebenen technischen Weinbereitung, die nach fixen Regeln funktioniert. Die Maxime von Jürgen von der Mark, sich selbst als „burgundophil“ bezeichnet, lautet vielmehr: „Hinhören, was der Wein einem nahelegt, Anregungen des Pinot verstehen und önologisch umsetzen. So wird Weinbereitung zu kreativem Ringen und Ausdruck kulturellen Handelns.“ Dabei ist ihm Eleganz wichtiger als Kraft. So verwundert es kaum, dass die Lese ausschließlich von Hand erfolgt, verbunden mit einer akribischen Selektion des Traubematerials. Transportiert werden das Lesegut schonend in kleinen, offenen Kisten – wenn nötig gekühlt.

KorbkelterUm die Weine möglichst schonend zu pressen, setzt von der Mark eine restaurierte Korbkelter ein, die er von einem alten Winzer kaufte und komplett neu aufbereiten ließ. Darauf keltert er sämtliche roten Premium-Cuvées, was in etwa der Hälfte seiner Spätburgunder entspricht. „Das Pressen mit der Korbkelter ist unsere Belohnung am Ende des Weinherbstes, mit Rotweinmaische macht das richtig Spaß“ sagt Vollblutwinzer. „Ich nenne dieses langsame arbeiten Entschleunigung, die ich durch die komplette Produktion zu ziehen versuche.“ Der Ausbau erfolgt ausschließlich in 228 Liter fassenden Barriques aus Burgund.

Von der Marks Weinberge liegen am Tuniberg bei Freiburg, der als kleiner Bruder des bekannteren Kaiserstuhls gilt. Sein Betrieb, der jährlich rund 60 000 Flaschen auf acht Hektar produziert, ist Mitglied bei Ecovin, dem Bundesverband für ökologischen Weinbau. Zwei Weine, die er in Kellern von eng mit ihm verbundenen Winzergenossenschaften herstellt, vertreibt der Wein-Flüsterer für den Lebensmittelriesen Rewe. Schadet das seinem Image nicht mehr, als es nutzt? „Ich bin sehr stolz auf diese Weine“, entgegnet von der Mark, „zum Preis von 4,99 Euro gibt es nicht viel Besseres.“ Zwar räumt er ein, dass diese Weine oft mit den Bioweinen aus seinem Weingut verwechselt werden und dass manche Leute sehr negativ auf dieses Engagement reagieren. Deren Meinung mag er sich aber nicht anschließen: „Ich kann das nicht teilen und verweise auf die Aktivitäten von Fritz Keller bei Aldi.“

LiedweinLiedweine, nennt der Spitzenwinzer seine besten Spätburgunder. Ausschließlich perfekte, handgelesene Trauben mit einem Ertrag von gerade einmal 18 bis 35 Hektoliter je Hektar wandern in die Kelter. Nicht in jedem Jahrgang findet von der Mark die entsprechende Qualität. “Una voce poco fa” etwa heißt der blitzsaubere Pinot Noir aus dem Erntejahr 2011. Sanfte Tannine am Gaumen, feine Frucht, tief mineralisch. Brombeeren, Schwarzkirsche und Walderdbeeren in der Nase und ein langer Nachhall. Der aktuelle Gault & Millau bezeichnet das Sortiment des Hauses von der Mark als „absolute Bereicherung. Die subtilen Pinot Noirs nötigen uns auch in diesem Jahr wieder allergrößten Respekt ab.“

Fasskeller1„Der 2014er Jahrgang hat viele graue Haare gebracht, wir waren wegen des Wetters und der Kirschessigfliege sehr nervös“, antwortet der Wein-Aficionado auf die Frage nach den Aussichten für den jüngsten Jahrgang. „Nach einer rigorosen Vorlese in allen Weinbergen war die Lese richtig entspannt. Wir haben mit eleganten und frischen Weißweinen gerechnet und bei den Rotweinen einfach mal gehofft.“ Mit den Weißen traf er ins Schwarze: Feine und frische Weine mit niedrigem Alkohol und eine sehr gut gepufferten, knackigen Säure. „Die machen einfach Spaß!“ Die große Überraschung sind für ihn die Rotweine. Der Sommer war kühl und feucht. Nicht gerade ideal für Spätburgunder. Nun hat er dennoch tieffarbene und extrem stoffige Rotweine im Keller. „Meine 2014er Spätburgunder  sind so “rotweinig” wie noch nie, sie sind immer noch klar und elegant aber dabei auch enorm dicht mit süßen Tanninen“, bringt es von der Mark auf den Punkt.

„Wahrscheinlich liegt dies an den dünnen traubenschalen“, glaubt der Meister, „die Trauben waren zwar nicht voll reif aber man konnte sehr gut mit den Schalen arbeiten.“ Er hat die Trauben deutlich länger auf der Maische gelassen und dafür die Maische weniger stark bewegt. „Es macht einen Winzer sehr stolz, wenn er von seinen Weinen während des Ausbaus seine Entscheidungen aus dem Herbst bestätigt bekommt“, lobt sich von der Mark vollkommen zurecht. Fans müssen sich indes noch etwas gedulden: Die Spätburgunder werden eher länger im Fass liegen und wohl erst im März 2016 gefüllt werden.

Weitere Informationen: www.weingutvondermark.de