Nach dem Auftakt mit Bocuse-Nachfolger Christophe Muller im Münchener Sofitel Bayerpost ging die Gourmetreihe ‚Link’ nun mit dem französischen Spitzenkoch Emmanuel Renaut in die zweite Runde.

Für den aus der Picardie stammenden 47 Jahre alten Küchenkünstler war es der erste Auftritt in der bayerischen Landeshauptstadt. Sein Handwerk hat er nicht zuletzt sieben Jahre lang bei Marc Veyrat verfeinert, der für seine ersten beiden Restaurants jeweils drei Michelin-Sterne erhielt. Emmanuel Renaut tritt mit seinem Restaurant ‘Flocons de Sel’ (Salzflocken) in Megève in den Savoyer Alpen in seine Fußstapfen: 2012 wurde es mit drei Michelin-Sternen gekürt und ist damit wohl das weltweit höchstgelegene Restaurant dieser Qualitätsstufe.

Emmanuel Renaut (1)„Ich bin ein Naturbursche und liebe die Ruhe und das Leben“, erzählt Renault mit einem verschmitzten Lächeln, während er ein Wiener Schnitzel genießt. Ihn fasziniert die Natürlichkeit der alpinen Produkte rund um den Mont Blanc und den Genfer See. Im ‚Flocons de Sel’ versucht er, die Schönheit dieser Produkte mit seinen Gerichten auf den Teller zu bringen. Zwei Zutaten mag der Träger des prestigeträchtigen Titels „Meilleur Ouvrier de France gar nicht: Paprikaschoten und Gurken. „Ich kann damit einfach nicht arbeiten. Ich habe es oft versucht, aber sie passen einfach nicht zu mir und zu meiner Küche.“ Auch der Molekularküche kann er nichts abgewinnen.

Renaut bei der Arbeit„Manchmal passiert es mir, dass ich nachts aufwache und mir eine brillante Idee über ein mögliches Gericht kommt“, sagt Renaut, „das schreibe ich dann sofort auf.“ Dass der Vater von drei Kindern virtuos mit Geschmacksnuancen und Aromen umzugehen vermag, zeigt er gleich beim ersten Gang: Ein hauchfeiner Kaisergranat, den er als kreisrunde Scheibe mit einer Schicht Kaviar und Tupfern aus Zitrone und – wie könnte es bei dem passionierten Bergliebhaber anders sein: Enzian – anrichtet. Ebenso gewagt wie gekonnt: Die Petersilie kommt als knallgrüne Soße daher.

Pastinaken, TrüffelSommelier Markus Hirschler reicht dazu mit dem 2008er Riesling Grand Cru Kitterlé aus dem Elsass den passenden Begleiter. Überhaupt setzt der Weinkenner ausschließlich auf französische Weine, die er aus fünf Regionen wählt. Wie schon beim ersten Link-Event: Auf seine Empfehlungen kann man sich blind verlassen. Herrlich die Kombination aus filigranen Pastinaken-Gnocchi und Alba Trüffeln, die von einem biologisch erzeugten, überaus spannenden 2013er Château Revelette aus der Provence versüßt werden.

Klosterschwein‚Klosterschwein | Gillardeau Auster | Sesam | Mandarine | Schwarzer Tee’, nennt Lokalmatador Anton Gschwendtner seinen Beitrag zum kulinarischen Hochamt. „Das Klosterschwein, auch LiVar genannt, aus der niederländischen Provinz Limburg eint die positiven Eigenschaften, die traditionelle, bereits ausgestorbene niederländische Schweinerassen wie das Langohrschwein, das Friesische Schwein oder das Bunte Schwein hatten“, erläutert der sympathische Gschwendtner, „Robustheit und die genetische Eigenschaft, Fett intramuskulär einzulagern, wodurch ihr Fleisch einen hervorragenden Eigengeschmack bekommt.“

Dadurch ist ihr Fleisch ähnlich stark marmoriert, wie das der spanischen Ibérico-Schweine. Zudem ist es fester und dunkler als das ihrer Artgenossen aus der Intensivmast. Feinschmecker von früher wie heute schätzen genau das an gutem Fleisch: Geschmack, Zartheit und Saftigkeit. Der Tee ist in eine Hülle aus Mandarinensaft eingebettet, der mit vegetarischer Gelatine aus Algen gebunden wird.

Anton Gschwendtner_027Der junge Chef de Cuisine der ‚Delice La Brasserie“, der seinen Stil selbst als kreativ, aber klassisch bezeichnet, demonstriert mit dieser ausgezeichneten Komposition einmal mehr, dass er zu Höherem berufen ist. Bescheiden wie er ist, bezeichnet er jedoch den Hirschrücken als größte Herausforderung des Abends.

Hirsch„Er ist handwerklich am herausforderndsten, weil bei diesem komplexen Gericht viele verschiede Komponenten zusammenkommen: Die feine Tarte, die Pommes Soufflées und der perfekte Garpunkt des Fleisches.“ Emmanuel Renaut zeigt sich dieser Herausforderung auf höchstem Niveau gewachsen. Fein abgestimmt und präzise durchgearbeitet, erreicht das kunstvoll gestaltete Gericht sowohl optisch als auch sensorisch ein bestechendes Niveau.

DEssertDen Hecht flankiert Renaut von einem Saft aus gegrillten Zwiebeln und Melisse. Zusammengesetzt wird er aus einer weichen, mit Eiern und Sahne gebundenen Hechtfarce, die in Quaderform pochiert wird. Als Dessert kredenzt der französische Top-Koch mit der geräucherten Schokoladentarte und einem raffiniertes Holzeis eine aromatisch ausgefeilte Komposition, die ihr zartes Aroma Zedernholzspänen verdankt, die in Milch aufgekocht wurden.

Noch um zwei Uhr morgens steht Emmanuel mit seiner beim Münchner Mode-Traditionshaus Lodenfrey erstandenen Lederhose in der Bar des Sofitel Bayerpost. Es ist mehr als eine Reminiszenz an die bayerische Landeshauptstadt. Der Gastronomie-Star fühlt sich sichtlich wohl – und lässt sich nicht davon beirren, dass seine Nacht schon in wenigen Stunden beendet sein wird: Um sieben Uhr startet sein Flieger zurück in seine geliebte französische Heimat.

Fotos: Christian Euler, Sofitel München Bayerpost, Emmanuel Renaut – Flocons de Sel