Seit er das Traditionsweingut von Othegraven 2010 aus dem Familienbesitz übernommen hat ist Deutschlands bekanntester TV-Moderator Günther Jauch (61) leidenschaftlicher Nebenerwerbswinzer. Ein Gespräch über Klinkenputzen‚ den besonderen Reiz seines feinherben Rieslings – und die Freude über eine abtransportierte Dixi-Toilette.

Wie wird der 2017er Jahrgang im Weingut von Othegraven?

Qualitativ ganz wunderbar, aber von der Menge her sind wir weniger zufrieden als im letzten Jahr.

Seit Sommer sind Sie im achten Jahr Winzer im Nebenberuf. Haben Sie es manchmal schon bereut?

Ich habe gar nicht das Gefühl‚ sieben Jahre auf den Knochen zu haben. Um überlebensfähig zu sein‚ mussten wir die Fläche erweitern. Wir hatten uns entschlossen‚ alle Sanierungsarbeiten am Gutshaus und im Keller auf einmal zu bewältigen – das bedeutete zweieinhalb Jahre Baustelle. Nicht gerade erotisch, aber eben notwendig. Der schönste Tag war‚ als nach zweieinhalb Jahren die Dixi-Toilette vom Gutshaus abtransportiert wurde.

Dafür war dann buchstäblich der Boden bereitet und Sie konnten sich ganz auf den Wein konzentrieren.

Ja, aber das Weingut mußte weniger önologisch als vielmehr ökonomisch weiterentwickelt werden. Vor allen Dingen bedurfte es – und bedarf es immer noch – einer Vermittlung nach außen. Meine Frau und ich haben im Wesentlichen den Job‚ im In- und Ausland, auf Weinmessen und in die Gastronomie zu gehen und dafür sorgen‚ dass unser Wein ins Gespräch kommt. Im Grunde ist es das‚ was man früher Klinken putzen nannte. Das haben wir in den letzten Jahren vorrangig getan und damit sind wir auch noch nicht fertig.

Ihr Promistatus dürfte sicherlich dabei helfen.

Jein. Bei großen Weinmessen ist es besser‚ wenn ich nicht die ganze Zeit dabei bin. Auf der ProWein zum Beispiel war unser Stand zwar immer umlagert. Aber es waren vor allem Weinprinzessinnen‚ die ein Selfie machen oder Leute‚ die fotografieren wollten. Und die Fachleute‚ die wir von unserem Wein überzeugen wollten‚ sagten „was ist das für ein Zirkus“ – und liefen am Stand vorbei. Dem trage ich Rechnung‚ indem ich stundenweise woanders bin oder erst am zweiten Tag komme. Der Neugier-Effekt spielt sicherlich eine Rolle‚ er ist aber nur ein ganz kurzes Strohfeuer. Prominenz hin oder her: Wenn jemandem unser Wein nicht schmeckt‚ wird er niemals eine zweite Flasche kaufen‚ nur um mir einen Gefallen zu tun. Dieser Effekt bringt uns also nichts. Entscheidend ist die Qualität unseres Rieslings im Glas.

Nerven Sie die vielen Anfragen der Schaulustigen?

Ich lasse bereitwillig Selfies mit mir machen‚ aber es ist nicht der tiefere Sinn der Sache. Ich darf nicht aus dem Auge verlieren‚ dass es ums Weingut geht und weniger um den Fernsehzirkus. Der hat damit gar nichts zu tun und ich halte das auch konsequent auseinander. Wenn ich auf dem Weingut bin‚ spielt das Fernsehen keine Rolle und wenn ich im Fernsehen auftrete, erwähne ich das Weingut nie oder lasse den Ball ins Aus rollen‚ wenn ich darauf angesprochen werde.

Wie steht es zwischenzeitlich um Ihr Fachwissen?

Ich rede unserem Kellermeister Andreas Barth nicht rein. Überhaupt haben wir uns für Kontinuität entschieden und sämtliche Mitarbeiter übernommen. Alle sind auch heute noch da.

Wie oft sind Sie in Kanzem an der Saar?

Jeden Monat mindestens einmal mehrere Tage‚ meine Frau noch öfter.

Können Sie sich vorstellen‚ die Fläche und damit auch die Produktion zu erhöhen?

Es gilt nach wie vor‚ die richtige Größe zu finden. Als wir mit zehn Hektar angefangen haben‚ wurde uns sehr schnell klar‚ dass das nicht zukunftsfähig sein würde. Inzwischen sind wir bei 16 Hektar und ca. 100.000 Flaschen pro Jahr angelangt. Vielleicht könnten wir irgendwann auf 18 bis 20 Hektar kommen‚ aber das müssen wir sehen. Wir sehen ganz klar unsere Grenzen‚ zumal der Keller nicht mehr zulässt. Wir werden nie‚ wie z.B. unser Nachbar van Volxem auf 100 Hektar gehen. Das können und wollen wir auch nicht.

Was bedeuten Ihnen die Bewertungen von Gault-Millau & Co?

Das ist natürlich schon schön und ich glaube‚ dass nicht alle die Wahrheit sagen‚ die behaupten‚ es ist ihnen völlig egal. Im letzten Gault-Millau haben wir uns in der Bewertung wieder weiter nach oben gearbeitet, aber das ist ein längerer Prozess. Mit Blick auf die Qualität gehören wir mit unseren in Deutschland zum obersten Prozent. Das ist für uns ein schöner Erfolg.

Klingt sehr selbstbewusst.

Wir sind von der Qualität überzeugt und finden natürlich schön‚ dass wir das Jahr für Jahr bescheinigt kriegen‚ dass wir besser geworden sind – auch dass wir zurecht da stehen, wo wir jetzt sind. Das ist nicht einfach‚ denn gerade in der Spitze ist die Konkurrenz groß. Kein Mensch wartet auf ein zusätzliches Weingut. Deshalb hilft uns auch die jahrhundertealte Tradition, die unser Weingut hat.

Ein Grund‚ warum deutsche Weine im internationalen Vergleich so günstig sind?

Deutsche Rieslinge sind viel zu billig‚ sagen beispielsweise auch die Österreicher. Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen‚ dass dort zu 80 Prozent heimische Weine getrunken werden. In Deutschland ist die Affinität zu Italien‚ Spanien‚ Frankreich ‚ aber auch zur Neuen Welt sehr groß. Zudem bedurfte es in den letzten Jahren eines erheblichen Kraftaktes‚ die Menschen für deutschen Wein zu begeistern. Ich kann mich an eine Zeit erinnern‚ als man sich fast geschämt hat‚ einen deutschen Weißwein zu bestellen. Mittlerweile hat der deutsche Wein nicht nur im Ausland höchstes Ansehen gewonnen‚ er ist auch im Inland wieder zur Selbstverständlichkeit geworden. Das ist eine schöne Entwicklung der letzten 20 Jahre. Mit der Übernahme des Weinguts haben wir diesen Schwung mitnehmen können.

Warum konzentrieren Sie sich ausschließlich auf Riesling?

Uns fasziniert die Bandbreite‚ die der Riesling liefert. 70 Prozent der Weine‚ die wir verkaufen sind trocken‚ mineralisch und präzise. Sehr klar und strukturiert. Dann geht es weiter mit Kabinett‚ Spätlese und Auslese bis hin zum Eiswein. So etwa anbieten zu können und Leute dafür zu begeistern macht große Freude.
 Was wir z.B. mit unseren restsüßen Saar-Kabinetten schaffen‚ das gelingt sonst vielleicht noch an der Mosel und der Ruwer und vielleicht ein bisschen am Rhein. Aber schon kurz dahinter sind alle anderen verlassen. Es ist ein weltweites Alleinstellungsmerkmal. Die Leute empfinden das als Offenbarung. Süße und Säure liefern sich ein herrliches Spiel am Gaumen. Gleichzeitig hat der Wein gerade mal acht Prozent Alkohol. Wir verkaufen jedes Jahr 50 Prozent mehr Kabinette.

Wie viel Restzucker hat er denn?

Das ist die falsche Frage. Sie müssen ihn probieren – und dann sagen Sie mir‚ wie viel Restzucker sie vermuten.

Kein einfaches Unterfangen.

Selbst Fachleute vertun sich regelmäßig ungefähr um die Hälfte.

Sie klingen sehr fachkundig‚ wenn Sie über Wein sprechen – vor allem wenn man bedenkt‚ dass Sie bis zum 30. Lebensjahr gar keinen Alkohol getrunken haben.

Ein bisschen ist in den vergangenen sieben Jahren hängengeblieben. Ein Kollege hat gesagt das wichtigste sei Trinken‚ Trinken‚ Trinken. Das bleibt einem nicht erspart‚ wenn man mitreden will. Aber es hat eine sehr schöne Komponente: Man lernt nette‚ unkonventionelle‚ lockere und genussorientierte Leute kennen‚ die Spaß am Leben haben. Der harte Medienbetrieb‚ speziell das Fernsehen‚ ist im Grunde genau das Gegenteil. Fernsehen mache ich seit 40 Jahren. Da weiß ich‚ wie es funktioniert und was man falsch und relativ richtig machen kann. Aber beim Wein bin ich immer noch ein sich vorantastender und zuhörender Auszubildender.

Dürfen wir uns Günther Jauch in einigen Jahren als Winzer im Unruhezustand vorstellen?

Dazu kann ich wenig sagen‚ zumal beim Fernsehen zum Glück auch noch kein Ende abzusehen ist. Ich mache weniger TV als früher‚ bin aber immer noch jede Woche mindestens einmal auf Sendung. Auf der anderen Seite kümmere ich mich mehr um das Weingut‚ das eine immer wichtigere Rolle spielt. Trotzdem kann ich mir momentan – noch – nicht vorstellen‚ dass wir uns ganz nach Kanzem zurückziehen werden und unsere langjährige Heimat in Potsdam aufgeben.

Schreibt von Othegraven seine Bilanz in schwarz?

Sinn der Sache ist‚ dass das Weingut aus sich selbst heraus bestehen kann. Wir legen Wert darauf‚ dass wir im operativen Bereich die Nase über Wasser haben. Die großen Investitionen machen das zu einer echten Herausforderung. Hinzu kommt die große Abhängigkeit von der Natur. Daher bleibt es ein sehr volatiles Geschäft‚ doch wir sind auf einem sehr guten Weg. Das letzte Jahr war das erfolgreichste, seit ich das Gut übernommen habe. Wein braucht viel Geduld – und das Geschäft mit dem Wein mindestens genausoviel.

Epilog:

Bei der anschließenden Verkostung taxiert der Autor dieser Zeilen die Menge des Restzuckers im „von Othegraven Riesling VDP Große Lage Kabinett 2016 – Bockstein“ auf 22 bis 25 Gramm pro Flasche. Weit gefehlt! „Tatsächlich sind es 50 Gramm“‚ verrät Günther Jauch – und schaut wie ein Schuljunge‚ der seine Eltern gerade mit einer Eins in Mathematik beglückt hat.

Fotos: Weingut von Othegraven