Vergangenen  Sonntag zog die Starpianstin Hélène Grimaud mit Ihrem Rezital das Stuttgarter Publikum in ihren Bann.

Mit Wasser widmete sich die Französin einem Thema, das sie seit Jahren beschäftigt. Ihr im Januar 2016 bei Deutsche Grammophon erschienenes Album entstand „durch die Faszination, die das Wasser offenbar auf so viele Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts ausübte.“

Wasser als lebenswichtiges Element ist eine Quelle der Inspiration für viele Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Die suggestive Kraft des blauen Goldes faszinieren sie. Für die Einspielung des Albums „Water“ ließ sie die New Yorker Armory Hall durch den schottischen Künstler Douglas Gordon in einen See verwandeln – in der Mitte ihr Steinway-Flügel.

(c) Mat Hennek / DG

Nun also in der Stuttgarter Liederhalle. Mit ihrem hell blondierten Kurzhaarschnitt präsentierte sie sich in neuem Look – so neu, dass selbst ihr Management in London noch nicht mit aktuellen Pressebildern dienen kann. Geblieben ist ihr begnadetes, hoch sensibles Spiel. Jedes Werk, darunter Franz Liszts „Les jeux d’eau à la Villa d’Este“, Debussys „La cathédrale engloutie“, Janáceks „Im Nebel“ oder Ravels „Jeux d’eau“ entfaltet sich als Teil eines klanglichen Stroms: sprudelnd, träge dahinfließend, unbändig rauschend oder leise gluckernd.

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Sinnlich und berührend, gepaart mit höchster Virtuosität, bringt Hélène Grimaud, die mit 13 Jahren jüngste Klavierstudentin aller Zeiten am Pariser Konservatorium wurde, das kostbare Element zum Klingen. „Letztlich passt es zu meiner Überzeugung, dass alle Bereiche unserer Existenz in einer weltumspannenden Intuition wurzeln und dass die Natur die ultimative Muse und als stärkste Quelle der Inspiration auch eine Brücke zur geistigen Welt ist“, sagte sie dem Verfasser dieser Zeilen schon im Frühjahr 2015 nach ihrem Konzert in Luzern.

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Traumwandlerisch sicher und exakt auch in den schwierigsten Passagen interpretiert die attraktive Südfranzösin im zweiten Teil ihres Rezitals in Brahms’ Klaviersonate Nr. 2 fis-moll. Stürmische Leidenschaft paart sich mit äußerster Zartheit. Tief versunken in die Musik macht sie jeden Ton hörbar. Immer wieder gelingen ihr ebenso betörende wie intensive Momente.

Das Spiel von Hélène Grimaud drückt aus, was sie mit Brahms verbindet. „Etwas, das einen aufsaugt, das keinen Raum mehr für irgendetwas anderes lässt. Eine ganze Welt öffnet sich, in die man sich ohne viel Nachdenken ganz fallen lässt“, beschreibt sie Brahms’ Konzert Nr. 1 in d-moll – das erste Werk, das sie jemals von ihm hörte.

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„Brahms steht mit seiner fis-Moll-Sonate Nr. 2 für den romantischen Zugang zur Natur, der mir nahe ist“, sagte Grimaud in einem Interview, „in seiner Sonate ist viel von Zeus drin, dem griechischen Göttervater, und die Gewalt der Naturelemente kommt zum Ausdruck.“

Das Publikum in der Stuttgarter Liederhalle zeigt sich begeistert ob ihrer stupenden Fähigkeit, diese Betrachtung Musik werden zu lassen. Lang anhaltender Applaus und stehende Ovationen.

Titelfoto: (c) Mat Hennek