Manche Zeitenwenden beginnen mit einer Tragödie. Es war der tödliche Absturz eines Kletterers am Mount Lefroy im Jahr 1896, der die Eisenbahngesellschaft Canadian Pacific Railway bewog, professionelle Bergführer aus der Schweiz zu engagieren. Mit ihren Nachhilfestunden am Berg brachten die eifrigen Eidgenossen gleich den Wintersport in die kleine Gemeinde Lake Louise inmitten der kanadischen Rocky Mountains – die Geburtsstunde des kanadischen Skisports.

DSC_4062Ein Dorf ist Lake Louise bis heute geblieben. Als Wintersportort zählt es hingegen nicht erst seit den Olympischen Winterspielen in Calgary 1988 zu den angesagtesten Zielen Nordamerikas. Mit 4200 Acres (rund 1700 Hektar) ist das Städtchen, in dem alljährlich im November die Elite der Skidamen in das erste Weltcup-Rennen der Saison startet, das größte Skigebiet in den Rocky Mountains – wobei 13 700 Skifahrer pro Stunde, ebenfalls ein Rekord in den Rockies, gegenüber den rund 90 000 Brettl-Fans, die im österreichischen Ski-Mekka Ischgl zu Berge gebracht werden, vergleichsweise mager anmuten.

Wer so argumentiert, vergleicht jedoch Äpfel mit Birnen. Ganz anders sieht es nämlich aus, wenn man berücksichtigt, dass Fans des weißen Sports hier – mit dem Segen der Skiwacht – auf unzähligen nicht gespurten Abfahrten abseits der präparierten Pisten ihrer eiskalten Leidenschaft frönen dürfen. Genau das ist einer der Hauptgründe, warum es sich lohnt, die weite Anreise auf sich zu nehmen. Denn hier gibt es ihn, denn vielbeschworenen Champagner Powder-Schnee, die traumhaft-trockene Sehnsucht von Heerscharen europäischer Ski-Aficionados.

Lake_Louise_photo credits_Paul Zizka_low resUm die weiße Wonne richtig zu genießen, ist neben der richtigen Ausrüstung auch die richtige Technik gefragt. Schmal taillierte Slalom- und Race-Carver bringen im hüfthohen Tiefschnee zu wenig Auftrieb. Zur königlichen Bonanza wird der Freeride erst mit den überbreiten “Powder Fat Skies.” Den ultimativen Adrenalin-Kick für Extremfahrer geben die wegen ihrer schwarzen Rautensymbolik als “Double Diamonds” bezeichneten schwindelerregend steilen Pisten mit ihren mannshohen Buckeln auf der baumlosen Rückseite der Berge.

139 markierte Abfahrten auf drei Bergflanken haben die Schneekönige von Ski Louise gezählt. Davon eignet sich die Hälfte für Fortgeschrittene, ein Drittel ist Könnern vorbehalten. Die Lifte überwinden fast 1000 Höhenmeter, die Abfahrten bis zu acht Kilometer lang. Spektakulär sind die Aussichten auf die unberührte Wildnis des Nationalparks. Die Weite und die Stille können süchtig machen. „Nirgendwo ist das Panorama eindrucksvoller als von der Gipfelstation des ‘Top of the World’-Lifts,“ sagt Carol. Sie gehört zu den “Ski Friends”, wie sich die in gelbe Jacken gehüllte rüstigen Rentner, Studenten und andere Skibegeisterte nennen, die Neuankömmlinge durch das Terrain führen und ihnen die schönsten Strecken zeigen. Ihr Lohn ist die freie Fahrt mit den Liften.

Ski_Snowboard_Lake_Louise_Ski_Resort_Paul_Zizka_2_HorizontalLake Louise glänzt neben seiner außergewöhnlichen Schneequalität und –quantität mit der sprichwörtlichen Freundlichkeit und Service-Orientiertheit, die Nordamerika bei Reisenden rund um den Globus so beliebt machen. „Hey Dude, how are you doin’?“, erkundigt sich die hübsche Anfangszwanzigerin mit einem Lächeln im braungebrannten Gesicht nach unserem Gemütszustand und bewegt sich dabei rhythmisch zu heißer Rockmusik aus den 70er Jahren.

Zum allgemeinen Wohlbefinden tragen nicht nur derlei Erweckungserlebnisse bei. Am Lift wird nicht gedrängelt, auf der Piste nicht gerast und beim Après-Ski weder gegrölt noch sinnfrei gebechert. Der Canadian Way of Skiing eben, der auch die sonst fast allgegenwärtige russische Klientel fernhält.

DSC_4080Shuttles pendeln stündlich, in der Hochsaison alle 30 Minuten, zwischen der Talstation und dem gut fünf Fahrminuten entfernten Dorf. Restaurants außerhalb der Hotels sind dort Mangelware. Auch Selbstversorger finden im ebenso kleinen wie teuren Lebensmittel-Shop nur das Nötigste. Wer mehr will, muss nach Banff fahren, das mit seinen 57 Kilometern Entfernung für kanadische Verhältnisse in unmittelbarer Nachbarschaft liegt.

Anspruchsvolle, die nicht auf jeden Euro achten müssen, kommen im nur vier Meilen bergan gelegenen Château Lake Louise (www.fairmont.de/lake-louise) auf ihre – nicht unerheblichen – Kosten. Die opulente Nobelherberge der Fairmont-Gruppe mit ihren 487 Zimmern liegt nur einen Steinwurf vom Ufer des von schneebedeckten Bergen umgebenen Sees entfernt, der seinen Namen Prinzessin Louise Caroline Alberta verdankt, der vierten Tochter von Königin Victoria. Einsam thront das imposante Gebäude auf 1767 Höhenmetern, in absoluter Wildnis. Es kann wohl nur eine Ironie der Geschichte sein, dass Louise niemals den See besuchte, der bis heute ihren Namen trägt

Ice Magic 2_pc_PAul ZizkaIm Winter kann man Jesus-gleich über die gefrorene Oberfläche wandeln, Eisskulpturen zieren den See, die akribisch gepflegte Eisbahn lädt zum Schlittschuhlaufen ein. Im Sommer schimmert das Wasser tief türkis. Das Château Lake Louise zählt zu den feinsten Adressen in den Rocky Mountains und liegt wie aus einem Disney-Märchen entsprungen unterhalb des knapp 3500 Meter hohen Victoria-Massivs. Es dürfte wohl die meist fotografierte Szenerie der kanadischen Rockies sein.

1890 hatte die Canadian Pacific Rail Company das Hotel gebaut, um gut betuchte Touristen und gekrönte Häupter mit der Bahn in den Westen Kanadas zu locken. Der damalige General Manager William Cornelius Van Horne konzipierte es zunächst als Schweizer Chalet für Bergwanderer. Weil er damit aber auch reiche Kanadier auf den Geschmack für die majestätischen Rockies brachte, dachte der geschäftstüchtige Van Horne um. “Wenn die Traumberge nicht zu den Menschen kommen können, müssen die Menschen zu ihnen kommen”, lautet fortan sein Credo. Nach mehreren Bränden, die das Haus fast vollständig zerstörten, wurde das Gebäude 1925 als Château-Hotel fertiggestellt.

Ice Magic_pc_Banff Lake Louise TourismWer heute im Hotel übernachtet, darf sich glücklich schätzen. Dafür sorgt nicht nur der ebenso perfekte wie unaufdringliche Service. Schon der einzigartige Ausblick aus den höher gelegenen Zimmern auf den See ist nur schwer zu toppen. Die Walliser Stube, eines der sechs Restaurants des Fairmont-Flaggschiffs, ist die zeitgenössische Hommage an die Schweizer Heilsbringer, die Kanada einst das Bergsteigen und den Skisport bescherten. Dabei umfasst die Speisekarte nicht nur authentische alpenländische Klassiker wie Fondue, Bündner Teller oder Nüssli-Salat, sondern auch Alberta Beef, Bison Rib und Forellen aus den umliegenden Gewässern. „Ortsbezogen, frisch und innovativ“ lautet das Credo von Executive Chef Felix Pfister, der sein Handwerk glänzend versteht.

Zum Dessert genehmigen wir uns einen “Apple Strudel”, gefolgt von einem 16 Jahre gereiften Lagavulin. Was dann vom Tage übrig bleibt, ist die Vorfreude auf eine unvergessliche Nacht in einem Märchenschloss inmitten der kanadischen Rocky Mountains. Prinzessin Louise würde sich im Grab umdrehen, wenn sie wüsste, was ihr entgangen ist.

http://www.skilouise.com/

(Bilder: Christian Euler, Banff Lake louise Tourism, Paul Zizka Photography)