Das beschauliche St. Anton am Arlberg wird dieser Tage zum dritten Mal zum Mekka der internationalen Kochkunst. „Kulinarik und Kunst Festival“ heißt das vier Wochen dauernde Event, das den bekannten Wintersportort dank zahlreicher Wallfahrer des guten Geschmacks auch im Sommer zur angesagten Destination werden lässt.

Während der vier Wochen des Festivals geben sich 35 internationale Spitzenköche, mehr als 30 namhafte Künstler und 20 Winzer die Klinke in die Hand. Axel Bach kennt die meisten Protagonisten persönlich. Der gebürtige Saarländer ist Präsident des Festivals und Gastgeber des exklusiven Hotels Tannenhof in Personalunion und intimer Kenner der Gastronomieszene. So war es für den 53-jährigen ein Heimspiel, Kochlegende Eckart Witzigmann erneut als Schirmherr zu gewinnen, in dessen Münchner Gourmet-Tempel Aubergine er schon in den frühen 1980er Jahren als Demi Chef de Poissonier arbeitete.

Hotel Tannenhof *****Superior, St. Anton am Arlberg
(c) Markus Gmeiner

Zum Auftakt scharte der Jahrhundertkoch ein Who is Who der Sterneküche um sich – und stand höchstselbst noch einmal am Herd. Ein rarer Auftritt des Mannes, der am 4. Juli 75 Jahre alt wurde und sich aus seiner aktiven Kochzeit zurückziehen will. Unter dem Motto „Witzigmann & friends“ feierte der Gralshüter des guten Geschmacks seinen Geburtstag nach. Der Tannenhof gab den perfekten Rahmen. Das Fünfsterne-Superior-Haus liegt auf 1350 Meter Seehöhe. 24 Mitarbeiter kümmern sich um höchstens 16 Gäste in sieben zwischen 75 und 200 Quadratmeter großen Suiten. So paart sich unaufdringlicher Luxus mit erstklassigem Service in familiärem Umfeld. Große Blumensträuße, geräucherte Eichenböden, bestickte Leder-Ohrenstühle, wechselnde Kunst an den Wänden und freistehende Badewannen prägen das Ambiente. „Ein tolles Haus, es ist genial, jedes Detail stimmt“ brachte es Witzigmann gegenüber dem Autor dieser Zeilen auf den Punkt.

Witzigmann 2

Neben dem Jubilar, der einen Klassiker mit Crème fraîche kredenzte, werkelten Bobby Bräuer (EssZimmer in der BMW-Welt München – zwei Michelin Sterne, Koch des Jahres 2016, 18 GaultMillau Punkte), Kevin Fehling (The Table Hamburg, 3 Michelin Sterne), Hans Decker (ehemaliger Chef-Patissier in der Aubergine) und Tannenhof-Küchenchef James Baron in der Tannenhof-Küche. Bräuer, ehemaliger Sous-Chef bei Witzigmann tischte eine handwerklich perfekte Felsen-Rotbarbe mit Miasa-Safran und Risinabohnen, Tomate und Fenchel auf. Kevin Fehling, jüngster deutscher Dreisternekoch und der erste überhaupt, der auf Anhieb mit einem neuen Restaurant die Höchstnote erzielte, brillierte mit Carabinero „Guatemala“, erweitert von Tamarillo, Avocado, Salsa & Taco.

Gruppe vor Tannenhof

Eine enorm hohe Messlatte also für Tannenhof-Lokalmatador James Baron. Doch der brauchte sich nicht zu verstecken – im Gegenteil: Der einstige Sous-Chef des Schweizer Starkochs Andreas Caminada glänzte mit seinem Steirischen Huhn, das er mit Zucchini, Artischocken, Estragon und Harissa kombinierte.: „Es ist sensationell, was James gemacht hat“, lobte Eckart Witzigmann. Das brillant zubereitete Federvieh erinnerte ihn an das Mieral-Bresse-Huhn aus dem nördlichen Burgund. Kein Geringerer als Paul Bocuse hatte ihm vor vielen Jahren regelmäßig ein solches Prachtexemplar geschickt, blau-weiß-rot in den Farben der Trikolore eingewickelt.

James_Baron©Birgitkoell

Auch die Gäste zeigten sich unisono überzeugt: Der erst 30 Jahre alte gebürtige Brite hat enormes Potenzial. Man darf auf die nächste Ausgabe des Gault Millau gespannt sein. Hinter vorgehaltener Hand trauen ihm Kulinarik-Experten und Spitzenköche 18 Punkte zu. Schade, dass Michelin seine Sterne nur in den größten österreichischen Städten leuchten lässt.

Für die Weinbegleitung sorgte Helmut Preisinger, der am Neusiedler See sein Gut auf einer Rebfläche von 14 Hektar betreibt. Während sein 2015er Welschriesling etwas flach erscheint, überzeugte der 2013er Mithras aus Merlot und Cabernet Sauvignon mit seiner komplexen Struktur, feinen Tanninen und guter Länge. Kraftvoll, saftig, harmonisch, mit feiner Holzwürze, Vanille und Röstaromen präsentierte sich der im Barrique-Fass ausgebaute Grauburgunder namens S.EX (für sehr extrem) mit stolzen 15,5 Prozent Alkohol.

Nenad

Tags darauf bestimmte Nenad Mlinarevic die kulinarische Marschroute im Tannenhof. Der Gault Millau verlieh dem 34-jährigen den Titel „Schweizer Koch des Jahres 2016“ und kürte sein Restaurant Focus im Park Hotel Vitznau mit 18 Punkten. „Keiner geht mit strikt regionalen Produkten raffinierter und harmonischer um“, schreibt der Restaurantführer. Wie auch Tannenhof-Küchenchef James Baron ging der Zürcher mit serbischen Wurzeln durch die Talentschmiede von Andreas Caminada. Mlinarevic ist buchstäblich Sternekoch bis auf die Haut. Auf den rechten Unterarm hat er sich vor etwa zehn Jahren eine Kochhaube und die Umrisse von drei Sternen tätowieren lassen. Zwei davon erhielt er bereits kurze Zeit nach seinem Amtsantritt am Vierwaldstätter See.

Anrichtszene Bauernsalat

Sein Motto: Auf den Teller kommt nur, was in der Umgebung wächst. Produkte, die jenseits Schweizer Grenzen bezogen werden müssten, sind für ihn tabu. Kurzum: kein Kaviar, kein Hummer – stattdessen Kohl und Kalbskopf. Das erfordert neben einer guten Portion Selbstbewusstsein auch die außerordentliche Kompetenz, ganz ohne Meeresfisch, Entenleber oder Périgordtrüffel auf derart hohem Niveau zu kochen. Nicht einmal Olivenöl oder Pfeffer sind erlaubt.

Anrichten 2

„Kochen ist für mich nicht nur ein Job, sondern eine Leidenschaft.“ Sein viel zu bescheiden ‚Gemüse vom Bauern’ titulierter Gang ist die Genuss gewordene Manifestation dieser Devise: 29 Sorten schmücken den Teller, jede davon speziell zubereitet. Man stelle sich allein den Aufwand vor, diese Sorten in der von Mlinarevic geforderten Qualität zu beschaffen!

Bauernsalat

Dass naturnahe Regionalküche hervorragend schmecken kann, zeigt auch seine Forelle, der Mlinarevic dank Holunder und Dill eine neue kulinarische Identität verschafft. Komplizierte Kreationen mit viel Chichi sind seine Sache nicht. So reicht Mlinarevic zum Toggenburger Schlorzifladen aus pürierten Datteln, Birnen und Feigen und Rahmguss ein Stück Appenzeller Käse. Zusammen gegessen wird aus dem regionalen Klassiker gleichwohl ein Schmankerl, das auch international Karriere machen könnte.

Das Kulinarik & Kunst Festival in St. Anton endet am 17. September.

Fotos: Kunst & Kulinarik Festival St. Anton